Geschichte und Entwicklung des Medizinstudiums an der Universität Witten/Herdecke – ein Beispiel für „kontinuierliche Reform“

Geschichte und Entwicklung des Medizinstudiums an der Universität Witten/Herdecke – ein Beispiel für „kontinuierliche Reform“

Einleitung: Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) wurde 1982 als erste deutsche Privatuniversität gegründet. Neben Wirtschaftswissenschaften, Zahnmedizin, einem Zentrum für Life Sciences und dem Institut für Allgemeine Studien lag das Hauptaugenmerk seit der Gründung der Universität auf der Entwicklung eines Modellstudiengangs im Medizinstudium.

Methodik: Eine Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Medizinstudiums in Bezug auf seine Gründungsgründe, seine Gründungsideale und deren Umsetzung; Entwicklungsphasen, Transformationen und Einflussfaktoren werden detailliert dargestellt. Dazu werden auch externe Assessments herangezogen.

Ergebnis: Das „Herdecke-Modell“ wurde 1983 erstmals mit der ersten Gruppe der Medizinstudierenden umgesetzt. In den letzten 36 Jahren hat sich das Curriculum für die Medizinausbildung in Witten/Herdecke den internen und externen Anforderungen angepasst. Die Ziele der Gründer für eine Reform des Medizinstudiums und die Gründungsideale der UW/H haben die Universität weiterhin durch einen kontinuierlichen Reformprozess der medizinischen Ausbildung geführt. Vom ersten Modell eines Reformstudiengangs an der UW/H 1983 bis zum aktuellen Modellstudiengang (MSG 2018 plus ) haben sich diese Reformen in vier großen Phasen über einen Zeitraum von 15 Jahren manifestiert.

Kennzeichen der Reformen sind die erstmalige systematische Einführung des problemorientierten Lernens in Deutschland sowie die klinische und praktische Ausbildung mit realen Patienten in klinischen und allgemeinmedizinischen Wahlpflichtblöcken, die weit über die Anforderungen des Approbationsgesetzes hinausgehen. Bemerkenswert sind auch die Einführung von PJ-Ausbildungsstationen und die aktive Mitwirkung und Mitgestaltung der Studierenden.

Diskussion: Aufgrund der geringen Größe von UW/H können Reformen schnell getestet und einfach und flexibel umgesetzt werden. Dies ermöglicht ein „Laborsetting“ zum Testen zukunftsweisender Innovationen. Die geringe Größe hat es ermöglicht, verschiedene Konzepte als Vorbilder zu verwenden und damit Impulse für eine größere Veränderung des Medizinstudiums in Deutschland zu geben.

Schlagworte: Modellstudiengang, Student Centered Education, Studierende als Mitgestalter des Medizinstudiums, „Masterplan 2020“, praxisorientierte Medizinausbildung

Gründung der Universität und Planung eines reformorientierten Medizinstudiums

Das Konzept zur Gründung der Universität Witten/Herdecke (UW/H) als neu konzipierte, von staatlichen Regelungen weitgehend unabhängige Privatuniversität geht weit zurück. Sie ging 1945/46 aus einer anthroposophischen Studentengruppe in Tübingen hervor, die sich unmittelbar nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs formierte. Gerhard Kienle war der geistliche Gründungsführer der Gruppe und behielt diese Funktion bis zu seinem Tod im Juni 1983 inne. Aus Sicht Kienles verlangten sowohl die Erfahrung der Barbarei des Krieges als auch das Wissen um die grausamen medizinischen Praktiken, die Menschen nur als wissenschaftliche Objekte behandelten, eine klares Gegenmodell. Zentrales Anliegen war die „Entwicklung kulturell wirksamer Institutionen, die ein freies geistiges Leben ermöglichen“ [ ]. Im Hinblick auf das Gesundheitssystem würde dies ermöglichen, die Würde und Individualität des Kranken in den Mittelpunkt zu stellen.

Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer reformorientierten medizinischen Ausbildung war die Eröffnung des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke im November 1969. Das Krankenhaus setzte einen strukturellen Schwerpunkt auf interprofessionelle Zusammenarbeit auf der Grundlage einer patientenzentrierten Anthroposophischen Medizin [  ]. Begleitet wurde diese Wirkung von der Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit: 1973 fand in Herdecke ein Symposium mit dem Titel „Toward a Man Centered Physiological Science and Medicine“ unter Beteiligung international renommierter Wissenschaftler statt [[  ] und [  ], S. 506]. 1976 wurde die Freie Europäische Akademie der Wissenschaften gegründet. Auf dieser Grundlage wurde die Entwicklung einer neuen Art des Medizinstudiums geboren. Im selben Jahr begann – noch ohne staatliche Zulassung – ein studienvorbereitendes Medizinstudium, das von Initiatoren (schon 1976) als „Modellstudiengang“. Politischer Widerstand und formalrechtliche Gründe verhinderten in diesen Jahren die Eröffnung der Universität. Mit großem Engagement verfolgten die Teilnehmer jedoch ihr gemeinsames Ziel und konnten in den Folgejahren wichtige Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft erfolgreich überzeugen.

Kurz nach der Eröffnung der Universität, aber noch bevor die erste Kohorte Medizinstudenten ihr Studium aufnehmen konnte, erkrankte Gerhard Kienle und starb kurz darauf. Konrad Schily war 1983-1999 und 2002-2004 Rektor der Universität und damit maßgeblich an der Umsetzung des Universitätsprojekts beteiligt.

 

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Umsetzung des Reformkonzepts

Seit der Eröffnung der Universität vor 36 Jahren fördert ihr Leitbild die Einbindung aller Akteure und Interessengruppen, insbesondere der Studierenden. Die Würdigung unterschiedlicher Perspektiven – teilweise durch heftige Diskussionen – hat einen kontinuierlichen und breit getragenen Reformprozess ermöglicht.

„Freiheit, Wahrheit und Verantwortung“ als Grundlage der kontinuierlichen Weiterentwicklung

Auf dem Dekanatssymposium in München am 18. Oktober 1982 erklärte Gerhard Kienle zu den Gründungsgründen und methodischen Leitideen für die Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Studiums an der Universität Witten/Herdecke (UW/H): „Wahrheit, Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung“ sind in ihrer vollen Unbedingtheit das Herdecke-Modell.“:

  • Das Streben nach Wahrheit wird als Ausdruck einer „bedingungslosen Liebe zur Sache“ verstanden.

  • Die Gewährleistung der persönlichen Freiheit wird als Bedingung und Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten in Forschung, Lehre und Studium genannt.

  • Letztlich besteht gesellschaftliche Verantwortung darin, das eigene Streben nach Wissen so auszurichten, dass es anderen zugute kommt und den Wert und die Würde der Mitmenschen in der Gesellschaft stärkt und fördert.

 

Diese Werte bleiben im Mittelpunkt des Lehrplans der Universität. Der Dreiklang der grundlegenden Lehrpläne des Lehrplans sind Wissen, Fähigkeiten und Werte. Es sind Werte und Einstellungen, die am wichtigsten sind. Die Zentralität dieser Grundwerte unterstreicht, wie ernst sie mit ihrer Wertschätzung sind.

 

Ergebnisse

Die Wittener Modellstudiengänge 1983-2018

Allgemeines

Studierendenzahlen: Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) hat ab 1983 und in ihren Gründungsjahren jährlich 24-27 Medizinstudenten eingeschrieben. Später stieg diese Zahl auf 42 Studierende pro Jahr. Ab 2008 hat sich die Zahl der Studierenden pro Semester verdoppelt. Seit dem Sommersemester 2019 sind 84 Studierende pro Semester eingeschrieben, das sind 164 Studierende pro Jahr.

Finanzierung: Die UW/H wird aus verschiedenen Quellen finanziert. Mehr als ein Viertel der Einnahmen wird durch den finanziellen Beitrag der Studierenden erwirtschaftet. Andere bedeutende Einnahmequellen für UW/H sind; Spenden und Zuschüsse (17%), Einnahmen der Zahnklinik (ca. 15%), Forschungsförderung (ca. 9%) und Zuschüsse des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit 2016 wird die UW/H auch durch den Hochschulpakt III gefördert. Die Kontinuität von Spenden, Sponsoring und Drittmitteln ist für die langfristige Entwicklung und Zukunftsfähigkeit der Universität von besonderer Bedeutung.

 

3.1. Der erste „Wittener Modellstudiengang MSG 1983“ – die Würde des Kranken anerkennen und respektieren

Gerhard Kienle forderte in seinem Vortrag auf dem Medizindekanatssymposium 1982 zur Gestaltung und den Inhalten des Medizinstudiums an der UW/H: „Die Ausbildung des Arztes von morgen erfordert (…) Handlungsautonomie der Universität“ , Urteils- und Entscheidungsfindung zur Sicherstellung des wissenschaftlichen Studiums der Medizin, das einen Arzt vorbereitet:

  • die Würde des Menschen anzuerkennen und zu respektieren;

  • um erfolgreich persönliche Hilfe zu leisten; und

  • unabhängiges Urteilsvermögen zu entwickeln.“

 

Grundlegende Rahmenbedingungen für den Erwerb dieser Fähigkeiten:

  • Erleben der aktiven medizinischen Praxis;

  • Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Urteilstraining;

  • Entwicklung der Persönlichkeit der Studierenden,

 

Diese sind alle im Curriculum des Medizinstudiums an der UW/H verankert.

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